27.10.2025
Ver. 1.0
Lennart Jakobs
In dieser Arbeit wird untersucht, welche musikalischen Parameter im Dateiformat SPC enthalten sind und in welcher Weise diese vom Super Nintendo Entertainment System ausgegeben werden. Schließlich wird Software vorgestellt, die diese Parameter auslesen und für eine Transkription in Standardnotation nutzbar machen kann. Als musikalisches Beispiel wird „Beginning of the Journey“ aus Legend of Zelda 3: A Link To The Past (1992) von Koji Kondo verwendet.
This paper examines which musical parameters are contained within the SPC file format and how they are used by the Super Nintendo Entertainment System. Finally, software is presented that can read these parameters and make them usable for a transcription into standard notation. The musical example used is „Beginning of the Journey“ from Legend of Zelda 3: A Link to the Past (1992) by Koji Kondo.
Open Access
URN: urn:nbn:de:101:1-2023060185
Text-Lizenz: CC-BY.
Herausgegeben von der Forschungsgemeinschaft VideospielMusikWissenschaft.
Lennart Jakobs, Ein Einblick in das Audiosystem des Super Nintendo Entertainment System und die Transkription von SPC-Dateien, Ver. 1.0, veröffentlicht 2025, hrsg. von der Forschungsgemeinschaft Videospiel
Die Nummerierung am Anfang jedes Absatzes kann stellvertretend für Seitenzahlen genutzt werden.
[1] Wenn man sich dafür entscheidet musikalische Strukturen innerhalb einer Videospielmusik zu untersuchen, stößt man unweigerlich auf die Notwendigkeit, das Ergebnis der Analyse schriftlich oder bildlich repräsentieren zu müssen. Ist weiterhin die Entscheidung für eine Transkription gefallen, stellt Videospielmusik auf rein technischer Ebene eine besondere Herausforderung dar, weil sie je nach Entstehungsjahr und Zielsystem in unterschiedlichen Umgebungen konzipiert und produziert worden ist. Nicht zuletzt wirkt sich das auf die Form aus, in der uns die Musik heute zugänglich ist. Ob wir mit der originalen Partitur der Komponist:innen arbeiten dürfen, lediglich eine MP3-Datei zur Verfügung haben oder mit einem mittlerweile antiken Dateiformat zurecht kommen müssen, hängt ganz einfach vom jeweiligen Spiel ab. Bei den für ältere Konsolen jeweils spezifischen Audioformaten sind wir letztendlich davon abhängig, ob eine Gemeinschaft von technisch versierten Enthusiast:innen existiert, die diese Formate für uns aufschlüsselt.
[2] Möchte man nun beispielsweise versuchen Koji Kondos kompositorische Arbeit in Zelda 3: A Link to the Past (1992) zu beschreiben, sollten die technischen Grenzen, innerhalb derer Kondo arbeitete, zumindest Erwähnung finden. Müssten dementsprechend diese Grenzen nicht auch in der schriftlichen oder bildlichen Darstellung der Musik repräsentiert werden? Hierin liegt eine weitere Besonderheit bei der Transkription der Musik älterer Spielekonsolen.1 Dana Plank, Bodies in Play. Representations of Disability in 8- and 16-bit Video Game Soundscapes, Diss. Ohio State University, Columbus 2018, S. 65–91 und S. 244ff. Beispielsweise kann die Abbildung von beteiligten technischen Komponenten sehr entscheidend sein, wenn man sich mit dem erzeugten Timbre der elektronischen Tonerzeuger beschäftigt, wohingegen eine einfache Beschriftung der Stimmen ausreichen würde, wenn man sich mit der vertikalen Harmonie eines bestimmten Abschnitts befasst.
[3] Zugespitzt formuliert existieren beim Super Nintendo Entertainment System (SNES) gewissermaßen zwei Extrempositionen der Transkription: Entweder transkribiert man nach Gehör oder man extrahiert die musikalischen Parameter direkt aus dem Spielcode. Beide Methoden bringen ihre Vor- und Nachteile mit sich. Auch wenn die reine Transkription nach Gehör für einfache Beispiele zuverlässig und schnell funktionieren mag, wächst mit der Komplexität der Musik der Anspruch an die Transkribent:innen proportional und übersteigt schnell jegliche noch als vernünftig zu wertende gehörbildliche Anforderung. Die Wahl der Methoden ist daher maßgeblich abhängig vom angezielten Endergebnis und dem zu visualisierenden Sachverhalt. Am Ende dieser Arbeit soll vom Titel „Beginning of the Journey“ aus The Legend of Zelda 3: A Link To The Past eine übersichtliche Notation in Standardnotation entstanden sein, anhand derer ein harmonischer Verlauf beschrieben werden kann.
[4] Zunächst bietet es sich an, das Audiosystem des SNES etwas näher zu beschreiben, da uns gewisse Relikte der beteiligten Komponenten im weiteren Verlauf des Transkriptionsprozesses wieder begegnen werden. Für eine Untersuchung der gesamten Hardware sei an dieser Stelle auf Rodrigo Copettis Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis (2025)2 Rodrigo Copetti, Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, https:/
[5] Die hervorstechende Besonderheit des Audiosystems im Vergleich zu seinem direkten Konkurrenten Sega Mega Drive bestand in der Fähigkeit Samples abzuspielen. Die Samples (ADPCM) samt der Parameter ihrer Wiedergabe werden als Sound Driver3 Video Game Music Preservation Foundation (VGMPF), Super Famicom/Super NES Sound Driver List, https:/
[6] Der SNES besitzt mit dem SPC700 einen separaten Audio-Prozessor, der seine Instruktionen von der Haupt-CPU erhält. Sind die Samples samt Audioprogramm (Sound Driver) einmal in den Arbeitsspeicher des Audiosystems geladen (PSRAM), besteht die Aufgabe des Audio-Prozessors in der Koordinierung von Wiedergabeinformationen an den DSP. Der Audio-Prozessor bestimmt also, welches Sample mit welchen Parametern zu welchem Zeitpunkt wiedergegeben wird und der DSP führt die Anweisungen aus.
[7] Für die Wiedergabe der Samples stehen dem DSP acht Kanäle mit individueller Klangsteuerung und Effekten zur Verfügung. Die verfügbaren Effekte sind Stereo-Panning, ADSR-Hüllkurvensteuerung und ein Delay. Der DSP enthält außerdem noch einen Rauschgenerator und die Möglichkeit zur „Pitchmodulation“, wodurch einem Sample mehrere Klänge entlockt werden konnten und es somit möglich war Wiedergabe-Kanäle einzusparen.4 Rodrigo Copetti, „Advanced Usage“, in: Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, https:/
[8] Bei dem Dateiformat SPC handelt es sich um ein digitales Abbild des Arbeitsspeichers während der Wiedergabe von Musikstücken oder Soundeffekten.5 Video Game Music Preservation Foundation (VGMPF), Super Famicom/Super NES Audio-CPU, (zuletzt abgerufen am 6. Juni 2025). Daher enthalten SPC-Dateien eine Vielfalt an Informationen, die für eine Transkription nützlich sind. Die im Sound Driver enthaltenen Parameter zur Wiedergabe der jeweiligen Samples bestimmen die Tonhöhe, Tondauer, zeitliche Abfolge, die zu verwendenden Effekte und das zu verwendende Tempo.
Abb. 1: Die gesamte Hardware. In: Rodrigo Copetti, Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, https://www.copetti.org/writings/consoles/super-nintendo (zuletzt abgerufen am 6. Juni 2025).
Abb. 2: Das Audiosystem. In: Rodrigo Copetti, Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, https://www.copetti.org/writings/consoles/super-nintendo (zuletzt abgerufen am 6. Juni 2025).
[9] Um die Datei abzuspielen und die beschriebenen Komponenten in Aktion zu beobachten, stehen uns eine Reihe von Programmen zur Wiedergabe von SPC-Dateien zur Verfügung, aus denen Spc-Play6 Erhältlich unter: https:/
[10] Drei dieser Einstellungen illustrieren wesentliche Prozesse bei der Wiedergabe und sollen daher kurz vorgestellt werden.
[11] Über die Schaltflächen 1–8 können die jeweiligen Kanäle hinzu- oder abgeschaltet werden, die Schaltflächen VL- und VL+ steuern die Lautstärke der Wiedergabe, die Schaltflächen SP- und SP+ verändern die Geschwindigkeit und schließlich erlauben REW und FF uns vor- und zurückzuspulen. Im rechten Bildrand lassen sich SPC-Dateien in Playlists organisieren, welche über den Menüpunkt File gespeichert werden können. In den acht Kanälen ist die individuelle Klangregelung sichtbar und es fällt auf, dass der achte Kanal unbenutzt bleibt.
[12] Im Menüpunkt DSP/BPM wird ein BPM-Wert von 161 angezeigt, der für die Transkription von Interesse ist, aber im ersten Eindruck doch sehr hoch wirkt. Unter SrcAddr ist derjenige Bereich von Adressen im Arbeitsspeicher dokumentiert, in dem die Samples abgelegt wurden. Interessanterweise ist ein spezieller Bereich für Echos reserviert, die bei unvorsichtiger Programmierung andere Inhalte des Programmcodes überschreiben können.7 Rodrigo Copetti, „Advanced Usage“, in: Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, (zuletzt abgerufen am 6. Juni 2025). Die Klangregelung für die vom Delay erzeugten Echos kann auf der rechten Seite abgelesen werden. Beispielsweise legt Feedback fest, wie viele Echos erzeugt werden, EchoLv legt die Lautstärke der Echos fest und NoiseClk legt fest ab welchen Frequenzwert der zuvor beschriebene Frequenzfilter ansetzt. In diesem Beispiel wird er nicht verwendet und hat daher den Wert 0.
[13] Der Menüpunkt Channel 1 bezieht sich − verwirrend genug − nicht auf die Kanäle des DSP, sondern bezeichnet hier lediglich einen „Kanal“ bei der Darstellung von Wiedergabeinformationen. In der gleichen Weise wie Samples und Echos ihre spezifischen Speicheradressen besitzen, wird auch die Information über die zu verwendende Tonhöhe (Pitch) auf spezifischen Speicheradressen abgelegt. Unter Pitch im ersten Kanal (1:) kann der Verlauf der Melodie in der höchsten Stimme verfolgt werden.
[14] Nun ist bei der Wiedergabe der SPC-Datei bereits erkennbar, dass eine Fülle von Informationen, die uns eine Transkription erleichtern werden, im Dateiformat enthalten sind. Um diese Informationen ins MIDI-Protokoll zu übertragen, welches dann von Notensatzprogrammen wie dem kostenlosen MuseScore 4 gelesen werden kann, benötigt man eine weitere kostenlose Software, die im folgenden Teil besprochen wird: VGMTrans.8 Erhältlich unter: https:/
Vid. 1: Visualisierung der acht Kanäle. In: Spc-Play, Settings, Information Viewer, Graphic Indicator. Video vom Autor auf dem PC erstellt.
Vid. 2: Information Viewer, DSP/BPM. In: Spc-Play, Settings, Information Viewer, DSP/BPM. Video vom Autor auf dem PC erstellt.
Vid. 3: Codierung der Tonhöhen. In: Spc-Play, Settings, Information Viewer, Channel 1. Video vom Autor auf dem PC erstellt.
[15] All diejenigen Informationen, die Scp-Play bereits angedeutet hat, liegen in VGMTrans in dokumentarischem Detailgrad bereit. Die vorhandene Informationsfülle übersteigt vermutlich die Bedürfnisse der meisten Transkriptionsvorhaben. Beispielsweise können die zuvor erwähnten Speicheradressen für jede einzelne Note sowie alle Speicheradressen der mit der Note verknüpften Parameter abgerufen werden.
[16] Weiterhin lassen sich über die Menüpunkte SNESampColl[ection] und NinSnesInstrSet genauere Informationen und Speicherorte der Samples ermitteln und alle beteiligten DSP-Einstellungen abrufen. Wichtig ist zunächst einmal, dass Informationen zur Dynamik („Velocity“ bezieht sich im MIDI-Protokoll auf die Stärke des Anschlags) und zur Dauer („duration: 46“ bedeutet eine Dauer von 46ms) für alle abgespielten Noten vorliegen.
[17] Dem Export einer MIDI-Datei steht also nichts im Wege.
[18] Ein Klick mit der rechten Maustaste auf den Musiktitel ermöglicht den Export einer MIDI-Datei, die im nächsten Schritt in das Notationsprogramm MuseScore 49 Erhältlich unter: (zuletzt abgerufen am 6. Juni 2025). importiert wird.
[19] Abgesehen von der Instrumentierung und der verlorengegangenen Dynamik der einzelnen Stimmen, ist das Klangergebnis im Kern deckungsgleich mit der Vorlage. Doch heißt das auch, dass alle Noten korrekt notiert sind? Nun stellen sich aufgrund des doch eigentümlichen Notenbildes einige entscheidenden Fragen: Was möchte ich zeigen? Wobei kann mir diese Form der Visualisierung behilflich sein? Was ist der Anspruch meiner Transkription?
[20] Durch diese Fragen ergibt sich ein breites Spektrum an möglichen Absichten und den damit verbundenen Voraussetzungen. Am einen Ende des Spektrums könnte zum Beispiel die kritische Werkausgabe stehen, bei der die Fragen der musikwissenschaftlichen Werkedition und Musikphilologie greifen würden. Am anderen Ende des Spektrums könnte eine simple Notenedition stehen, um einen einfachen Sachverhalt für eine Seminararbeit zu visualisieren und für den Leser nachvollziehbar zu machen. Ein Beispiel für die Visualisierung eines einfachen Sachverhalts könnte die Abbildung des harmonischen Verlaufs in „Beginning of the Journey“ sein.
[21] Bevor man sich mit dem musikalischen Inhalt auseinandersetzt, ist es hier jedoch sinnvoll, zunächst die Herkunft der Instrumentenbezeichnungen und des Tempowerts zu thematisieren. Erinnert man sich an den BPM-Wert von 161, den Scp-Play anzeigte, erhalten wir nun einen BPM-Wert von 81, der realistischer klingt. Importiert man die MIDI-Datei testweise in eine DAW (hier Ableton Live 11), zeigt das Programm einen BPM-Wert von 80.57 an.
[22] Daher kann man festhalten: MuseScore rundet auf ganzzahlige Werte auf, Scp-Play zeigt offenbar den doppelten Wert an.
[23] Scp-Play zeigte außerdem bereits an, dass der achte Kanal des DSP unbenutzt bleibt. Das ist der Grund dafür, dass in MuseScore sieben Notensysteme erstellt und somit alle beteiligten Kanäle des DSP einzeln abgebildet wurden. Die seltsamen virtuellen Instrumente und ihre Bezeichnungen wie „Hackbrett: 0x28AE“, welche in Vid. 4 zu sehen und zu hören sind, stammen von MuseScore und sollten zur besseren Übersicht manuell angepasst werden. Ein Doppelklick auf eine der Instrumentenbezeichnungen öffnet ein Kontext-Menü, was die Auswahl und Beschriftung des Instruments ermöglicht. Für das Beispiel wurde ein Klavier als Instrument gewählt und mit den jeweiligen Kanälen beschriftet, welche den Wiedergabekanälen in Scp-Play entsprechen. Weiterhin ist der angezeigte 4/4-Takt offenbar korrekt, wenn man Ch. 3 näher anschaut.
[24] Für die Beschreibung des harmonischen Verlaufs ist es notwendig zu überprüfen, ob die von MuseScore erzeugte Tonart (Ges-Dur) das Klangergebnis akkurat abbildet. Hierzu betrachtet man am besten zunächst die erzeugten Vorzeichen im Satzverlauf und stößt bereits in Takt 6 in Ch. 1 auf eine Ungereimtheit.
[25] Ein doppeltes Vorzeichen dürfte für diese Musik nicht notwendig sein. Die Melodie in Ch. 1 weist zwar chromatische Wechselnoten auf, die in der korrekten Tonart jedoch nicht mit doppelten Vorzeichen geschrieben werden müssten, sondern hierfür Auflösungszeichen ausreichen sollten.
[26] Nachdem diese Korrektur gemacht wurde, sehen die Vorzeichen im gesamten Satz homogen aus und MuseScore hat offenbar die korrekte Tonart gefunden.
[27] Es bleibt jedoch zu bedenken, dass die automatische Erkennung von Tonarten nicht bei jedem Stück so reibungslos funktionieren wird. Für ein diatonisches und rhythmisch übersichtliches Stück wie „Beginning of the Journey“ scheint die Erkennung gut zu funktionieren. Bei komplexeren Stücken steigt die Notwendigkeit einer genaueren Interpretation der Editor:innen entsprechend an.
[28] Neben der „trial and error“-Methode wäre es ebenfalls möglich gewesen mit musikalischer Analyse zur korrekten Tonart zu gelangen. Der optimale Fall − der in diesem Beispiel dankenswerterweise eintritt − wäre, dass die tiefste Stimme in Grundtönen fortschreitet. Das Problem im Beispiel ist zunächst, dass die tiefste Stimme nicht isoliert im untersten Kanal für uns bereit liegt. Rein visuell ist jedoch schon erkennbar, dass sie offenbar in Ch. 5 liegt.
[29] Man kann dies weiterhin klanglich überprüfen, indem man die Wiedergabeoptionen verwendet, die im Programm zur Verfügung stehen. MuseScore bietet die Möglichkeit, die Wiedergabe einzelner oder einer beliebigen Auswahl an Notensystemen über das Mischpult zu steuern, was es erleichtert musikalisch zusammengehörige Teile zu erkennen. Solange die Notensysteme benachbart sind, ist die Auswahl einer Kombination von Notensystemen auch im Notentext möglich.
[30] Die tiefste Stimme verläuft von Takt 1–4 in absteigenden Schritten, bis in Takt 5 der angezeigte Grundton Ges erreicht wird:
[31] Ces (4. Stufe) —> B (3. Stufe) —> As (2. Stufe) —> Ges (1. Stufe).
[32] Anschließend beschreibt die Stimme ab der 3. Stufe b-Moll eine Quintfallsequenz in den Schritten B —> Es —> As —> Des, womit die 5. Stufe in Ges-Dur erreicht wird. Die Kadenz verbleibt ohne Auflösung, denn anschließend beginnt die Schleife der Spielmusik aus der Original-Datei wieder am Anfang der Partitur in der 4. Stufe Ces. Die kurze Analyse der tiefsten Stimme bestätigt die Tonart Ges-Dur.
[33] Nachdem die korrekte Tonart gefunden wurde, steht der überwiegende Teil der editorischen Arbeit noch an, damit man zu einem übersichtlichen Ergebnis gelangt, was den harmonischen Verlauf für die späteren Leser:innen illustriert. Die konkreten Arbeitsschritte bestehen in der Entfernung überflüssiger Bindebögen, der Anpassung von Balken sowie der vertikalen und horizontalen Organisation der Stimmen. Der Zeitaufwand, der für diese Arbeitsschritte nötig ist, sollte nicht unterschätzt werden.
[34] Wie es in den Videos zur Wiedergabe von mehreren Notensystemen bereits angedeutet liegt, bietet sich eine Einteilung der Stimmen in die Gruppen Ch. 1–4 und Ch. 5–7 an, da bei der entsprechenden Wiedergabe zwei musikalisch zusammengehörige Teile hervortreten. Es wäre also sinnvoll diese auch im Notensatz abzubilden. Nachdem die erwähnten Arbeitsschritte abgeschlossen wurden, könnte man schließlich folgendes Ergebnis erhalten, bei dem die tiefste Stimme zusätzlich isoliert wurde, um den Verlauf der Bass-Stimme zu verdeutlichen.
Vid. 4: Ausgangspunkt nach erstem Import. In: MuseScore4. Video vom Autor auf dem PC erstellt.
Vid. 5: Kombination der Notensysteme 1-4. In: MuseScore4. Video vom Autor auf dem PC erstellt.
Vid. 6: Kombination der Notensysteme 5-7. In: MuseScore4. Video vom Autor auf dem PC erstellt.
Vid. 7: Tiefste Note in Einzelsystem 5. In: MuseScore4. Video vom Autor auf dem PC erstellt.
Vid. 8: Finales Ergebnis. In: MuseScore4. Video vom Autor auf dem PC erstellt.
[35] Nun wäre zum Beispiel ein möglicher Einwand, dass die Abbildung eines harmonischen Verlaufs durch ein Lead-Sheet deutlich übersichtlicher wäre. Warum also die ganze Editionsarbeit? Auch in der musikwissenschaftlichen Arbeit mit Videospielmusik müssen Ergebnisse möglichst überprüfbar sein. Die Hürde dafür darf nicht sein, dass man als Leser:in die gleiche Gehörleistung erbringen muss, welche die Autor:in bei der Transkription nach Gehör geleistet hat.
[36] Eine etwas niedrigere Hürde für Texte mit musikwissenschaftlichem Publikum wäre die Kenntnis von Grundlagen der musikalischen Werkanalyse und Partiturkunde, welche Inhalt der allermeisten musikwissenschaftlichen Studiengänge sind. Wenn die verwendeten Methoden der Transkription für die Leser:innen im Dunkeln bleiben, und es daher auch keine Rolle zu spielen scheint, ob das Dargestellte überprüfbar ist, entfällt eine zentrale Kategorie von Wissenschaftlichkeit.
[37] Im Hinblick auf das noch junge Feld der Videospielmusikwissenschaft, in welchem eine Vielzahl an historisch gewachsenen Methoden gleichberechtigt nebeneinander existieren können, ist es deswegen umso wichtiger, die gewählten Methoden auch gleichberechtigt überprüfbar zu halten. Ebendieser Wunsch steckt hinter dem Versuch, einen möglichst wiederholbaren Prozess der Transkription anzudeuten, der technische Hilfsmittel überall dort bevorzugt, wo sie neutrale Ergebnisse produzieren, die besser zu überprüfen sind als durch Höranalyse gewonnene Ergebnisse. Die verwendete Software ist dabei demselben dynamischen Wandel ausgesetzt, dem auch Notations- oder Textbearbeitungssoftware unterliegen. Den Überblick über die verfügbaren Optionen zu behalten, ist eine omnipräsente Herausforderung moderner Geisteswissenschaft, die man zwar bedauern kann, die sich jedoch schwerlich ignorieren lässt. Ähnliche Arbeiten zu anderen Konsolen könnten eine gemeinsame Basis entstehen lassen, die je nach Bedarf referenziert werden könnte. Musikwissenschaftliche Arbeiten über Videospielmusik befinden sich dabei zwangsläufig methodisch im Spannungsfeld zwischen dem Bewusstsein über Mechanismen des Imaginary Museum of Musical Works10 Lydia Goehr, The imaginary museum of musical works. An essay in the philosophy of music, Oxford 2002. und dem Wunsch die Wahrnehmung von Videospielmusik als Kunstform zu festigen.
Dana Plank, Bodies in Play. Representations of Disability in 8- and 16-bit Video Game Soundscapes, Diss. Ohio State University, Columbus 2018, S. 65–91 und S. 244ff. ↑
Rodrigo Copetti, Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, https:/
Video Game Music Preservation Foundation (VGMPF), Super Famicom/Super NES Sound Driver List, https:/
Rodrigo Copetti, „Advanced Usage“, in: Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, https:/
Video Game Music Preservation Foundation (VGMPF), Super Famicom/Super NES Audio-CPU, https:/
Erhältlich unter: https:/
Rodrigo Copetti, „Advanced Usage“, in: Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, https:/
Erhältlich unter: https:/
Erhältlich unter: https:/
Lydia Goehr, The imaginary museum of musical works. An essay in the philosophy of music, Oxford 2002. ↑
Copetti, Rodrigo, „Advanced Usage“, in: Super Nintendo / Famicom Architecture. A practical analysis, https:/
Goehr, Lydia, The imaginary museum of musical works. An essay in the philosophy of music, Oxford 2002.
Plank, Dana, Bodies in Play. Representations of Disability in 8- and 16-bit Video Game Soundscapes, Diss. Ohio State University, Columbus 2018.
Video Game Music Preservation Foundation, https:/
MuseScore Ltd., MuseScore 4, OS: Windows 10 Version 2009 or later, Arch.: x86_64, MuseScore Studio version (64-bit): 4.5.2-251141402, revision: github-musescore-musescore-ac9d3bc, https:/
dgrfactory, spcplay, Version: 2.21.1 (build 8812), https:/
mikelow, VGMTrans, Version: 2.1, https:/
Kondo, Koji, „Beginning of the Journey“, in: The Legend Of Zelda 3: A Link To The Past, Nintendo, Nordamerika, Englisch, Super Nintendo Entertainment System, 1992.
Lennart Jakobs (B. A.) studierte Historische und Systematische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg und untersuchte in seiner Bachelorarbeit Igor Strawinskys Kompositionstechnik in seinen Trois pièces pour quatuor à cordes anhand von handschriftlichen Skizzen und der Poétique musicale. Derzeit studiert er im Masterstudiengang Historische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg. Zu seinen Fachinteressen gehören neben der Musik in Videospielen die Musik für Tasteninstrumente im 18. und 19. Jahrhundert, Musik und Literatur sowie Kompositionstechniken im historischen Kontext.