02.06.2023
Ver. 1.0
Fabian Müller
In der Forschung zu Videospielmusik stellt die Untersuchung von Klangflächen einen Teil der musikalischen Analyse dar. Soundwalking bietet die Möglichkeit, Sound und Musik gleichermaßen zu untersuchen. Die Anwendung als Analysemethode auf Open-World Videospiele verfolgt dabei einen ähnlichen Ansatz, wie das von Tim Summers vorgestellte Analytical Play. Der Spieler oder die Spielerin greift dabei aber nicht aktiv in die virtuelle Welt ein, sondern agiert passiv durch die Minimierung der Bewegung. Vorangestellt werden muss die Beschreibung der inneren und äußeren Umstände. In The Legend of Zelda. Breath of the Wild kann durch einen Soundwalk festgestellt werden, dass die Klangfläche stets von der Umgebung beeinflusst wird und sie eine realistische Darstellung des Hörbaren anstrebt.
In the research of video game music, the study of sound surfaces is a part of musical analysis. Soundwalking offers the possibility to examine sound and music in equal measure. The application of soundwalking as a method of analysis of open-world video games follows a similar approach to Tim Summers’ Analytical Play. However, the player does not actively interfere with the virtual world, but acts passively by minimising movement. The description of the inner and outer circumstances must come first. In The Legend of Zelda. Breath of the Wild, it can be established through a soundwalk that the soundscape is always influenced by the environment and that it strives for a realistic representation of what can be heard.
Open Access
URN: urn:nbn:de:101:1-2023052413055520987329.
Text-Lizenz: CC-BY.
Herausgegeben von der Forschungsgemeinschaft VideospielMusikWissenschaft.
Empfohlene Zitierweise: Fabian Müller, Soundwalking als Analysekonzept für die Musik in Open-World Spielen am Beispiel von The Legend of Zelda. Breath of the Wild (2017), Ver. 1.0, veröffentlicht 2023, hrsg. von der Forschungsgemeinschaft Videospiel
Die Nummerierung am Anfang jedes Absatzes kann stellvertretend für Seitenzahlen genutzt werden.
[1] Die Analysemethoden der Ludomusicology und der Videospielmusikwissenschaft befinden sich noch in der Entwicklung. Aktuell existieren unterschiedliche Ansätze, die neben den Vergleichen zur Filmmusik auch die traditionell musikwissenschaftlichen Analysemethoden in die Analyse der Musik einbeziehen. Im Cambridge Companion to Video Game Music stellt Steven Reale drei musiktheoretische Konzepte der Analyse der Musik in Super Mario Galaxy (2007) vor. Die formale Analyse, die reduktive Analyse nach Heinrich Schenker und die Transformationsanalyse in Bezug auf Neo-Riemannsche Methoden kommen alle zu einem unterschiedlichen Ergebnis. Reale resümiert, dass die traditionellen Konzepte auf Videospielmusik durchaus anwendbar sind und schreibt in Bezug auf die Methoden: „What excites me as a music theorist is that the theories did not break, but were instead refracted by the logic of the game’s design.“1 Steven Reale, „Analytical Traditions and Game Music: Super Mario Galaxy as a Case Study“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 219. Es bleibt allerdings die Frage, ob diese Analysekonzepte auf alle Spiele in dieser Form anwendbar sind. Gerade wenn die Möglichkeit einer Transkription nicht gegeben ist und auch anderweitig auf keine Partitur zugegriffen werden kann, können die traditionellen Konzepte auf Limitierungen stoßen. Zudem beziehen diese Methoden das weitere Klanggeschehen des Videospiels nicht in die Analyse mit ein. Ferner gelingt es nicht, den Kontext der Handlung des Spiels zu berücksichtigen. In dieser Arbeit wird deshalb versucht, die genannten Aspekte durch das Konzept des Soundwalkings zu berücksichtigen, wobei es sich an dem von Tim Summers geprägten Begriff des Analytical Play orientiert2 S. Tim Summers, Understanding Video Game Music, Cambridge 2016, S. 34–39. Das Konzept folgt allerdings einem passiveren Weg. Der Spieler oder die Spielerin greift nicht aktiv in das Spielgeschehen ein und versucht dadurch, musikalische Veränderungen in der Welt zu provozieren.3 Der Spieler oder die Spielerin, entscheidet sich aktiv für einen Soundwalk. Nach dieser Entscheidung verläuft die Interaktion mit dem Spiel passiv. Am Beispiel des 2017 erschienen Titels The Legend of Zelda. Breath of the Wild für die Nintendo Switch wird Soundwalking als Analysemethode angewendet. Dabei handelt es sich um eine große, sehr früh im Spiel frei begehbare Spielwelt, die diverse Klänge und Klangflächen bietet. Zusätzlich gibt es viele Bereiche im Spiel, in denen keine Kämpfe ausgetragen werden müssen. Somit wird der Soundwalk nicht gestört. Das Spiel bietet weiterhin einen minimalistischen Soundtrack, der mit wenig musikalischer Untermalung des Spiels auskommt. Deshalb ist es sehr auffällig, wenn Musik eingesetzt wird, da sie meistens nach einer langen Phase der Stille erklingt. Das Spiel bietet die Möglichkeit, sich auf Sound und Musik gleichermaßen zu konzentrieren. Dies ermöglicht das Analysemodell des Soundwalks in erster Linie.
[2] Das Konzept der bewussten, aber passiven Untersuchung von Klängen innerhalb urbaner und ländlicher Gegenden geht auf R. Murray Schafer zurück, der auf „die Wichtigkeit von kreativem Hören und der Wahrnehmung von Empfindungen hinwies.“4 Walter K. Kreyszig, Art.: „Schafer, R(aymond) Murray“, in: MGG Online, abgerufen über https:/
[3] Auffällig bei den genannten Beschreibungen der Untersuchungen von Klangflächen ist die Verwendung von Karten. In der genannten soziologischen Untersuchung wird die exakte Route entlang einer Karte der Innenstadt von Manchester markiert. Es finden sich Standorte, an denen die Autoren und Autorinnen Aufnahmen als sinnvoll erachten.16 Adams, Bruce, Davies, Cain, Jennings, Carlyle, Cusack, Hume, Plack, „Soundwalking as a methodology for understanding soundscapes“, unpag. Zusätzlich wird die Dauer des Soundwalks benannt.17 S. ebd. Auch Westerkamp zeigt eine Karte des von ihr untersuchten Areals, allerdings ohne die Einzeichnung einer Route.18 Westerkamp, „Soundwalking“. Schafer geht dabei einen Schritt weiter und skizziert ebenso keine Route, sondern das gesamte Areal mit den jeweiligen Klangquellen.19 Schafer (u. a.), Five Village Soundscapes, S. 14. Beide Varianten sind sinnvoll, um das Areal des Soundwalks besser nachvollziehen und rekonstruieren zu können.
[4] Die Untersuchung von Klangflächen ist bereits Teil der wissenschaftlichen Untersuchung von Videospielmusik. In ihrer Dissertation stellt Elizabeth Medina-Gray dabei modulare und dynamische Funktionen von Videospielmusik fest.20 Elizabeth Medina-Gray, Modular Structure and Function in Early 21st-Century Video Game Music, Yale 2014, S. 2–5 und S. 43–45. Modularität in Videospielmusik bezieht sich auf die Interaktion des Spielers oder der Spielerin mit dem Spielgeschehen, durch dessen Einfluss sich die Musik verändert.21 S. dazu Alyssa Aska, Introduction to the Study of Video Game Music, self-publishing 2017, S. 70–77. Kompositionen für Videospielmusik können aus Modulen bestehen, die je nach Interaktion des Spielers oder der Spielerin abgespielt werden. Ihre Reihenfolge ist dadurch nicht vorher festgelegt und bestimmt sich durch die Spielweise. Ähnliches verfolgte auch Cage in seinem Werk Music of Changes (1951), in dem er kompositorische Entscheidungen dem Zufall überlässt.22 S. für eine genauere Beschreibung Herbert Henck, „Music of Changes“, in: John Cage. Anarchic Harmony, hrsg. von Stefan Schädler und Walter Zimmermann, Mainz 1992, S. 213. Bei der Videospielmusik liegt es am Spieler oder der Spielerin, die Module zu einer vollständigen Komposition zusammenzusetzten. Dies muss aber nicht nach dem Zufallsprinzip geschehen, denn der Spieler oder die Spielerin kann die bestimmten Module durch eine bestimmte Spielweise bewusst hervorrufen.
[5] In other words, musical modularity requires, first of all, a collection of modules and a set of rules that dictate how the modules may combine. In video games, the modules are often distinct containers of musical data – digital files – and the rules are programmed into the game in the form of triggers and other if-then conditions.23 Elizabeth Medina-Gray, „Modularity in Video Game Music“, in: Ludomusicology. Approaches to Video Game Music, hrsg. von Michiel Kamp, Tim Summers und Mark Sweeney, Sheffield 2016, S. 55.
[6] Wenn der Spieler oder die Spielerin die Trigger kennt, kann er oder sie auch bestimmte Musik hervorrufen. Für die Analyse der Module stellt Medina-Gray zwei Wege vor.24 Sie bezieht sich dabei auf die Dissertation von Pamela Quist, Indeterminate Form in the Work of Earle Brown (1984). S. Medina-Gray, „Modularity in Video Game Music“, S. 65. Der eine beschreibt die Untersuchung des Mikrokosmos, in dem jedes musikalische Modul für sich untersucht wird. Bei der Musik in Videospielen muss dabei auch der Kontext untersucht werden, der das Modul hervorgerufen hat. Der andere Weg stellt den Makrokosmos in den Vordergrund und untersucht die Wechselbeziehung der Module. Die einzelnen musikalischen Module werden dabei als zusammenhängende Komposition, als zusammenhängendes Werk betrachtet.25 S. ebd., S. 66. Eine einzelne Analyse müsse Aspekte beider Wege inkludieren.
[7] Auch Elisabeth Hambleton untersucht die Modularität von Klangflächen bei Videospielen. Sie bezieht ihre Analyse auf navigable narratives, die mit der Genrebezeichnung walking simulator gleichgesetzt werden können.26 Navigabel narritives oder walking simulators sind Videospiele, in denen sich der Spieler oder die Spielerin innerhalb eines vorgegebenen, linearen Pfades bewegt. Ihre Definition lautet: „In short, the main purpose of navigable narratives is to partake in a story as the protagonist is moving through a visually and sonically saturated 3D environment. They are built with the same resources as video games, but the users engage in more paidic play (freeform, ‘sandbox’ play) rather than ludic play (g[...] Sie merkt an, dass Medina-Grays Vorschläge der Analyse der Modularität einen guten Startpunkt bieten. Allerdings seien diese in Bezug auf das von ihr untersuchte Genre nicht ausreichend, da ein walking simulator linear verläuft und an keinen Tagesablauf gebunden ist, im Gegensatz zu einem Open-World Spiel. Hambleton schreibt: „A navigable narrative soundscape will not change over the course of a day in the real world, and so it is missing that ‚natural‘ daily rhythm Schafer noted in half-hour segments in Five Village Soundscape.“27 Hambleton, „Gray Areas“, S. 36. Zusätzlich ist sie gegen die Einteilung der Klangflächen durch Rhythmen oder Loops, da diese von der Gehgeschwindigkeit des Spielers oder der Spielerin beeinflusst werden.28 S. ebd., S 35. Sie vergleicht das Genre deshalb mit geführten Soundwalks,29 In einem geführten Soundwalk ist nicht nur die Route vorgegeben, sondern auch die Klänge, die man hört. Es wird dafür ein portables Musikabspielgerät verwendet, über das man eine vorgefertigte Tondatei abspielt. Durch diese Datei sind beim Gehen andere Klänge zu hören, als sie innerhalb der Route vorkommen. Bei einem freien Soundwalk ist nur die Route festgelegt. Die Umgebungsklänge sollen dabei ohne Einfluss von vorgefertigten Aufnahmen untersucht werden. da der Spieler oder die Spielerin durch Klänge Hinweise innerhalb der Spielewelt erhalten kann und somit deren Aufmerksamkeit gelenkt wird. Iain Hart fasst die Untersuchungsmöglichkeiten in Bezug auf die Semiotik in Videospielen zusammen, die auch auf die Analyse von Musik und Sound durch Soundwalking angewendet werden können:
[8] Take notice of the sounds of the concrete jungle, or the living forest, or the competitors’ race cars or the zombie horde. Take notice of the music: the shape of its tune, the texture of its harmonies and rhythms, how it alerts you to characters or objects, how its ebbs and flows guide your emotional responses.30 Iain Hart, „Semiotics in Game Music“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 223.
[9] Ein freier Soundwalk bietet neben den modularen Untersuchungen Medina-Grays die Möglichkeit, die von ihr vorgeschlagenen Wege zu vereinen. Durch den Gang durch eine virtuelle Spielwelt ergibt sich eine individuelle Komposition, die aus den einzelnen Modulen zusammengesetzt wird. Bei der anschließenden Analyse können wiederum die einzelnen Teile untersucht werden, allerdings innerhalb ihres jeweiligen Kontextes. Soundwalks können in erster Linie helfen, die Module durch ihre Lokalität im Spiel zu verstehen. Die Analyse ist dabei nicht auf Interaktion des Spielers oder der Spielerin angewiesen, da diese durch die passive Spielweise reduziert wird. Gleichzeitig ergibt sich die Möglichkeit, Musik und Sound zu untersuchen, da vor allem im behandelten Spiel Breath of the Wild Musik dezent eingesetzt wird und somit das auditiv Wahrnehmbare hauptsächlich aus Sound besteht. Im Cambridge Companion to Video Game Music stellt Medina-Gray eine klare Trennung von Musik und Sound auf:
[10] I here consider music to be a category of sound that features some ongoing organization across time in terms of rhythm and/or pitch. […] Sound effects are the (usually brief) sounds that are tied to the actions of players and in-game characters and objects; these are the sounds of footsteps, sounds obtaining items, sounds of selecting elements in a menu screen and so on, as well as ambient sounds (which are apparently produced within the virtual world of the game, but which may not have specific, visible sources in the environment).31 Elizabeth Medina-Gray, „Interacting with Soundscapes. Music, Sound Effects and Dialogue in Video Games“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 178–179.
[11] Bei ihr, wie bei John Cage, ist Musik dennoch eine Unterkategorie von Sound. Ein Soundwalk folgt dieser Definition und kann alle beschriebenen Komponenten gleichermaßen untersuchen. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Methode und die Einbettung des Gehörten in den Kontext auch ohne eine vorliegende Partitur durchführbar sind.
[12] Damit das Soundwalking als Analysekonzept für Videospielmusik sinnvoll eingesetzt werden kann, müssen vorher Bedingungen und Einschränkungen festgelegt werden. Wie Hambleton vorschlägt, bedarf es einer menschlich realistischen Bewegung und keiner Sprünge durch die virtuelle Welt, wie sie beispielsweise durch Teleportation möglich wären.32 Hambleton, „Gray Areas“, S. 40. In der Regel ist die realistische Bewegung durch das Spiel mit den Optionen Laufen und Rennen vorgegeben. Zusätzlich müssen geographische und zeitliche Einschränkungen getroffen und erklärt werden. Diese können die Umgebung gerade in Open-World Spielen verändern. Beispielsweise wurden im Spiel Shenmue, das im Jahr 1986 in Japan spielt, die Wetterdaten desselben Jahres innerhalb der spielbaren Regionen in das Spiel einprogrammiert.33 Sean Murray, „Gaming Detail: Shenmue’s Weather Matches Real 1986 Forecasts“, TheGamer, gepostet am 23.06.2020, abgerufen am 28.11.2022 über https:/
[13] Untersuchungen von Klangflächen beziehen sich seit ihrer Entstehung stets auf die Betrachtung von eingegrenzten geographischen Arealen und deren Unterschiede innerhalb ihrer Grenzen sowie deren Unterschiede zu anderen Arealen. Eine Methode zur Sensibilisierung und Verortung der Klänge bietet ein Soundwalk. Klangflächenuntersuchungen und Soundwalks finden sich in der Literatur der Ludomusicology, grenzen sich aber von anderen Methoden und Genres ab. Hambleton wendet Soundwalking nur auf navigable narratives an und nicht auf das Genre der Open-World Spiele. Medina-Gray sieht in der Analyse zwei unterschiedliche Wege, nennt in ihrem Aufsatz aber keine Beispielanalyse. Soundwalking in einer virtuellen Welt bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Probleme bei der Analyse zu beheben, muss aber dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
[14] Vor dem Soundwalk und der daraus resultierenden Analyse bedarf es der genauen Beschreibung der äußeren und inneren Bedingungen des Soundwalks im Spiel. Bei ersterem steht die Frage nach den technischen Gegebenheiten im Vordergrund. Unterschiedliche Spiele existieren in unterschiedlichen Versionen für unterschiedliche Konsolen. Es muss deshalb stets quellenkritisch geklärt werden, um welche Variante eines Spiels es sich handelt und ob eventuell DLCs dem Spiel hinzugefügt worden sind.34 S. Tim Reichert, Verschiedene Höreindrücke in Varianten des gleichen Spiels. Angabe von Videospielmusik als Quelle, Bachelorarbeit Eberhard Karls Universität Tübingen, 2021. Dies kann im Fließtext dargelegt werden und sollte in jedem Fall Teil der Videospielquellenangabe sein. Bei einem Soundwalk in einem Videospiel empfiehlt sich, Kopfhörer zu verwenden, die den Klang der realen Umgebung aktiv unterdrücken.35 Gemeint sind geräuschunterdrückende Kopfhörer, wie sie beispielsweise von Sony oder Bose angeboten werden. Auch hier ist dabei genaustens auf das verwendete Modell zu achten, da die Klangqualität der Kopfhörer die Wahrnehmung innerhalb des Soundwalks beeinflussen kann. Die inneren Bedingungen beschreiben die Gegebenheiten innerhalb des Spiels. Damit sind der Spielstand, Tageszeit und gegebenenfalls das Wetter im Spiel, die Route oder die verwendete Ausrüstung des spielbaren Charakters gemeint. Trägt der spielbare Charakter beispielsweise eine Rüstung, so kann diese im Gegensatz zu leichterer Bekleidung einen anderen Klang hervorrufen. Die Route gibt im Vorfeld Aufschluss über die Klänge, die gehört werden können und muss deshalb skizziert werden. In der Regel existieren in Open-World Spielen bereits vorgefertigte Karten, in die die Route eingezeichnet werden kann. Die Klänge werden auch von den Tages- und Wetterzeiten beeinflusst. In der Nacht können andere Ereignisse auftreten als am Tag. Ebenso beeinflussen die Wetterbedingungen das Klanggeschehen. Manche virtuellen Welten verändern sich, nachdem die Haupthandlung des Spiels einmal durchgespielt wurde. Deshalb muss möglichst genau beschrieben werden, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Handlung des Spiels sich der Spieler oder die Spielerin befindet, wenn er oder sie den Soundwalk unternimmt. Durch diese Beschreibungen werden die gehörten Klänge nachvollziehbar und reproduzierbar.36 Dies wird bei einem Soundwalk außerhalb einer virtuellen Welt nicht angestrebt, kann aber für die Quellenarbeit bei einem Videospiel hilfreich sein. Da die Analyse durch einen Soundwalk ebenso auf der detaillierten auditiven Beobachtung aufbaut, ist eine reichhaltige Quellenbeschreibung notwendig.
[15] Für diese Soundwalk-Untersuchung wurde Breath of the Wild auf der Nintendo Switch gespielt. Es handelt sich dabei um die 2017 erschienene Konsole und nicht um einen ihrer Ableger, wie die Nintendo Switch Lite (2019) oder die Nintendo Switch OLED (2021). Die hier verwendete Variante inkludiert keine der DLCs Die legendären Prüfungen und Die Ballade der Recken und befindet sich, wie auch die Konsole, auf dem neuesten Stand der Update-Versionen. Für den Soundwalk wurden Sony WH-1000XM3 Kopfhörer verwendet, die die Funktion der aktiven Geräuschunterdrückung besitzen. Zum Zeitpunkt des Soundwalks ist die Haupthandlung abgeschlossen. Dies ist an dem Stern hinter dem Speicherstand zu erkennen (s. Abb. 1), verändert aber nicht die Welt des Spiels.
[16] Der Spieler oder die Spielerin kann sich zu jedem Zeitpunkt im Spiel dafür entscheiden, den letzten Gegner, den Antagonisten Ganon, zu besiegen. Trifft er oder sie diese Entscheidung, muss die Spielfigur zum Schloss in der Mitte der Spielwelt bewegt werden und schließlich in das Schloss eintreten. Es besteht von hier aus nicht mehr die Möglichkeit, zurück in die eigentliche Spielwelt zu gelangen. Das Spiel beendet sich schließlich nach erfolgreichem Bestehen des letzten Kampfes gegen Ganon und der Spieler oder die Spielerin landet wieder im Hauptmenü. Möchte er oder sie nun das Spiel fortsetzen, beginnt es wieder im Schloss. Man findet folglich dieselbe Welt vor, die man verlassen hat.
[17] Der Soundwalk wurde als Video aufgenommen (s. Video 1). Die Spielsequenz wurde direkt über die Bildschirmaufnahme der Nintendo Switch angefertigt. Allerdings bietet diese nur die Möglichkeit, den Bildschirm für 30 sec aufzunehmen. Deshalb sind nach jeweils 30 sec kleine Sprünge in der Aufnahme zu sehen. Diese haben aber nur minimalen Einfluss auf den Klang. Der Soundwalk beginnt morgens im Spiel, die angegebene Uhrzeit ist 6:05 Uhr.37 S. „Soundwalk. Gesamt“, (00’01’’) in: Eiji Aonuma (Produzent), Hidemaro Fujibayashi (Regisseur), Manaka Kataoka und Yasuaki Iwata (Musik), The Legend of Zelda. Breath of the Wild, Version 1.6.0. (26.04.2019), Nintendo Entertainment Planning & Development, Monolith Soft (Entwickler), Nintendo (Publisher), Deutsch, Nintendo Switch (15.0.1.), 2017, Hyrule Field. Unter der Anzeige der Uhrzeit ist auch die Wetterprognose zu erkennen. In diesem Fall ist das Wetter durchgehend sonnig. Die Route beschreibt einen kreisförmigen Rundgang, bei dem sich der Charakter am Ende wieder am Ausgangspunkt befindet (s. Abb. 2).
[18] Der Charakter trägt dabei die Kleidung, die er bereits zu Beginn des Spiels trägt, also keine zusätzliche Rüstung oder Waffen, da diese bei der Bewegung der Figur zusätzliche Geräusche machen (s. Video 2).38 S. „Soundwalk. Rüstung“ in: ebd. Diese Aufnahme entstand kurze Zeit nach „Soundwalk. Gesamt“, was an der Uhrzeit im Spiel zu erkennen ist.
[19] Der Soundwalk beginnt in der Mitte der Karte in der „Hyrule-Garnisonsruine“.39 S. Abbildung 2 und zur genaueren Einordnung innerhalb der Karte, s. Abbildung 3. Er verläuft an einem kleinen Waldstück, nach diesem taucht rechts eine weitere Ruine auf. Ein Stück weiter vorne befindet sich auf der rechten Seite ein Lager, in dem sich Gegner befinden, die der Spieler oder die Spielerin bekämpfen kann. An der Kreuzung sind weitere ausgebrannte Ruinen zu sehen. Die Route verläuft an der Kreuzung nach links, auf der linken Seite ist weiterhin das Lager der Gegner zu erkennen. Nachdem die Spielfigur das Lager passiert hat, gelangt sie zum „Alten Umschlagplatz“, der sich links befindet. Auf der Karte ist ein kleiner See eingezeichnet. Danach muss ein Grashügel überquert werden. Sobald der Abstieg geschafft ist, kommt erneut eine Kreuzung, die Landschaft bleibt unverändert. Dies bleibt so, bis man den Ausgangspunkt erreicht.
[20] Westerkamp schlägt vor, dass man mit den Geräuschen beginnt, die der eigene Körper verursacht:
[21] Start by listening to the sounds of your body while moving. […] If you can hear even the quietest of these sounds you are moving through an environment which is scaled on human proportions. In other words, with your voice or your footsteps for instance, you are “talking” to your environment which in turn responds by giving your sounds a specific acoustic quality.40 Westerkamp, „Soundwalking“.
[22] Der Klang der Schritte verändert sich während des Soundwalks aufgrund der Beschaffenheit des Bodens. Im Besonderen ist der Kontrast im Wechsel vom Steinboden der „Hyrule-Garnisonsruine“ zu dem unbefestigten Trampelpfad, der darauffolgt.41 „Soundwalk. Gesamt“, (00’01’’–00’20’’). Kommt man vom Weg ab und läuft ein paar Schritte auf der Wiese links oder rechts neben dem Weg, erklingen wiederum andere Schritte, die dem Treten auf Gras nachempfunden sind.42 Ebd., (00’58–01’05’’). Dies gilt auch für kleinere Grasflächen auf dem befestigten Boden der Garnisonsruine S. ebd., (00’09’’–00’12’’). Die Schritte klingen, unabhängig auf welcher Oberfläche man sich bewegt, nicht alle gleich. Dies führt dazu, dass die Klanggestaltung realistischer und weniger mechanisch wirkt.
[23] Nach der Untersuchung der Klänge, die der eigene Körper verursacht, soll man die Geräusche der Umgebung beachten.43 Westerkamp, „Soundwalking“. Hierbei werden in der Untersuchung auch die kurzen Motive miteinbezogen, die außerhalb der Diegese vom Klavier gespielt werden. Das erste, das der Spielfigur in diesem Soundwalk begegnet, erklingt am Ausgang der Garnisonsruine. Es sind insgesamt drei verschiedene Zusammenklänge. Die ersten beiden werden wiederholt. Den Schlusston des Motivs bildet der dritte Zusammenklang, der leise verklingt. Ein Umgebungsgeräusch, das kurz danach auftritt, ist das Vogelgezwitscher, das durch die Annäherung zum Wald lauter wird.44 „Soundwalk. Gesamt“, (00’17’’–00’24’’). Dieser Klang steht während des Soundwalks stets im Zusammenhang mit dem Wald bzw. mit dem Auftreten von Bäumen. Denn auch in der Garnisonsruine ist leises Vogelgezwitscher zu hören, während auf der linken Seite ein Baum erkennbar ist. Auch im späteren Verlauf des Soundwalks ist dieser Klang zu hören, sobald die Spielfigur am „Alten Umschlagplatz“ vorbeikommt, der von Bäumen umgeben ist.45 Ebd., (02’34’’–02’48’’). Ein weiteres Geräusch, das nur im Zusammenhang mit dem Wald erklingt, ist das Knacken von Ästen. Gemeint ist ein sehr kurzes Geräusch, das kurz vor der Kreuzung und am Ende des Waldstücks in der exakt gleichen Gestalt auftritt.46 Ebd., (00’27’’) und (02’44’’). Gegen Ende des Waldstücks erklingt das nächste Motiv, das von einem hohen Ton absteigt.47 Ebd. (00’36’’–00’48’’). Nachdem der letzte tiefe Ton fast verklungen ist, erklingt erneut der erste Ton, der wiederum in einer nun schnellerverlaufenden Abwärtsbewegung mündet. Das Motiv ist demnach zweigeteilt und länger als das erste. Es entsteht der Eindruck, dass es sich um zwei Motive handelt, die nacheinander erklingen. Da aber der tiefe Ton verklingt, während bereits der höhere Ton einsetzt, müssen diese Motive als eine Einheit betrachtet werden. Sobald diese Motiveinheit verklungen ist, ist direkt ein weiteres kurzes, einzelnes Motiv hörbar, das in einer Wechselbewegung verläuft.48 Ebd., (00’49’’–00’52’’). Daran anschließend erklingt als nächstes Motiv eine fallende Quinte.49 Ebd., (00’56’’- 00’58’’). In der Nähe der nächsten Ruinen ist erneut der zweite Teil der eben beschriebenen Motiveinheit isoliert hörbar, woran sich ein auf- und abspringendes Motiv anschließt.50 Ebd., (01’06’’–01’12’’). Auch dieser Zusammenhang kann als Motiveinheit beschrieben werden, da der zweite Teil des Motivs einsetzt, nachdem der letzte Ton des ersten Teils noch nicht verklungen ist.
[24] Der folgende Abschnitt des Soundwalks ist von Geräuschen geprägt, die von den gegnerischen Monstern ausgehen. Gelangt die Spielfigur in die Nähe der Ruine, in der die Gegner mit einem menschlichen NPC kämpfen, hört man die Klänge dieses Kampfes, die beim Vorbeilaufen langsam leiser werden.51 Ebd., (01’05’’–01’37’’). An dieser Stelle ist es die Aufgabe des Spielers oder der Spielerin, den menschlichen NPC zu retten. Dies würde aber in diesem Fall der Passivität des Soundwalks widersprechen. Eine ähnliche Situation ist auch an der späteren Kreuzung erkennbar, allerdings befindet sich die Spielfigur zu weit entfernt, um die Geräusche wahrzunehmen. Während der Spieler oder die Spielerin das Lager der Gegner zu seiner oder ihrer Rechten passiert, sind vereinzelte Grunzer der Gegner zu hören, die möglicherweise durch die Spielfigur getriggert werden.52 Ebd., (01’46’’). Die Gegner erkennen die Spielfigur als Feind. Da sie aber nicht in ihr Gebiet eindringt, schenken sie ihr keine weitere Beachtung. Kurz darauf setzt ein deutlich hörbarer Wind ein, der schließlich nach Passieren des Umschlagplatzes genauso abrupt aufhört, wie er angefangen hat. Sein Auftauchen erscheint aber nicht willkürlich oder plötzlich, da der Spieler oder die Spielerin aufbäumende Staubwolken erkennen kann.53 Dies ist ebenso bereits zu Beginn des Soundwalks, kurz bevor der Wald auf der rechten Seite passiert wird, hörbar gewesen. Bei der Einblendung des Textes „Alter Umschlagplatz“ ist ein kurzes Signal zu hören, das die Aufmerksamkeit des Spielers oder der Spielerin auf die Umgebung lenken soll.
[25] Nach der Besteigung des Hügels, der in einer absteigenden Grasfläche mündet, fallen mehrere Aspekte auf. Zum einen tritt deutlich das Grillenzirpen in den Vordergrund, da es in der Umgebung keine weiteren Klangflächen gibt, die diesen Klang übertönen können.54 „Soundwalk. Gesamt“, ab (02’54’’). Denn das Grillenzirpen ist als einziger Klang konstant durch den Soundwalk hörbar. Es steht damit im Zusammenhang mit den Grasflächen, die das untersuchte Gebiet umgeben. Zum anderen treten hier wieder Motive auf, die im Abschnitt mit dem gegnerischen Lager vollständig ausblieben. Die Motive sind alle unterschiedlich und werden nicht wiederholt, wodurch man auf eine Vielfalt dieser kleinen Motive schließen kann. Teilweise bestehen sie nur aus einem Ton.55 Ebd., (03’04’’). Wie die Motive zu Beginn des Soundwalks treten diese einzeln sowie in Einheiten auf, sind aber in Bezug auf ihre harmonische und melodische Entwicklung von den anderen Motiven unabhängig.56 Ebd., (03’09’’–03’45’’). Auffällig ist, dass die Motive dann auftreten, wenn es in der Umgebung der Spielfigur keine Möglichkeit der Interaktion gibt. Würde der Spieler oder die Spielerin sich beispielsweise entscheiden, die Gegner des Lagers anzugreifen und dadurch aktiv in seine oder ihre Umgebung einzugreifen, würde sich die Musik dieser Interaktion anpassen. Die Motive zeigen deshalb einen sicheren Raum für den Spieler oder die Spielerin an, in dem die Erkundung der Welt in den Vordergrund rückt. Durch die Motive entsteht kein Rückbezug zu den vorherigen Teilen der The Legend of Zelda Reihe, wie es Tim Summer mit dem Begriff der micro-quotations für The Legend of Zelda. Ocarina of Time zusammenfasst.57 Tim Summers, The Legend of Zelda: Ocarina of Time. A Game Music Companion, Bristol 2021, S. 86. Die Motive, die er anspricht, kommen in dieser und auch in keiner variierten Form im Gebiet vor, durch das sich die Spielfigur im Soundwalk bewegt.58 S. ebd., S. 85–87. Dies steht in einem Widerspruch zum Rest des Spiels, das innerhalb seines Narratives Bezüge zu den Handlungen der vorherigen Teile herstellt.59 S. ebd., S. 86.
[26] In der noch jungen Disziplin der Ludomusicology gibt es unterschiedliche Wege, die Musik in Videospielen zu analysieren. Anwendung finden unter anderem traditionelle Analysemethoden. Diesen gelingt es aber nicht, Musik und Klang/Sound gleichzeitig in ihre Analyse aufzunehmen, was gerade bei Open-World Spielen notwendig ist. Ferner sind traditionelle Methoden auf die Transkription der Musik in Form einer Partitur angewiesen. Die Untersuchung von Klangflächen und ihrer Gleichsetzung mit Musik entstand in den 1970er Jahren. Sie versucht, neue Wege zu entwickeln, die Klänge und ihrer Wirkung innerhalb bestimmter Areale zu vergleichen und daraus Rückschlüsse auf die Entwicklung beispielsweise einer Stadt zu ziehen. Das Soundwalking bietet dazu eine einfach anwendbare Methode, die es ermöglicht, Klänge direkt innerhalb eines Areals räumlich zu verordnen. Auch in Bezug auf die Untersuchung von Videospielmusik ist die Untersuchung von Klangflächen Teil der Analyse der Musik und auch hier wird bereits das Konzept des Soundwalkings angewendet. Allerdings geschieht dies nur anhand eines Vergleichs zu dem Genre navigable narratives bzw. walking simulators. Soundwalking in Open-World Videospielen als Analysemethode verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie das von Tim Summers vorgestellte Analytical Play. Der Spieler oder die Spielerin greift bei seinem oder ihrem Analytical Play nicht aktiv in die virtuelle Welt ein. Er oder sie bewegt sich nur in die Richtung einer zuvor festgelegten Route und interagiert ansonsten nicht mit der Welt.
[27] Für die Beschreibung des Soundwalks bedarf es der Nennung der technischen Gegebenheiten sowie der genauen Beschreibung des Ortes und der Zeit im Spiel.60 Mit Zeit ist hier nicht nur die Uhrzeit gemeint, sondern auch die verbrachte Zeit im Spiel, aus der sich die Verortung in der Handlung des Spiels ergibt. Erst hierdurch entsteht die Möglichkeit der Rekonstruktion. Zusammengefasst werden diese beiden Aspekte unter den Begriffen der äußeren und inneren Umstände. Zu ersterem zählen die Quellenbeschreibung des Spiels und die der verwendeten Wiedergabegeräte. Zu letzterem zählen beispielweise die Kontextualisierung in Handlung, Raum sowie Zeit und die Beschreibung des Spielcharakter inklusive seiner Kleidung. In The Legend of Zelda. Breath of the Wild konnte neben den ortsgebunden Naturklängen festgestellt werden, dass die kurzen Klavier-Motive modular zusammengefügt sind. Sie können aber auch in längeren Motiveinheiten auftreten, besitzen aber in keinem Fall eine harmonische oder melodische Entwicklung. Auch diese Motive werden von der Umgebung beeinflusst. In den Abschnitten, in denen ein Konflikt zwischen den Gegnern und der Spielfigur jederzeit beginnen könnte, erklingen die Motive nicht. Die genauen Trigger konnten nicht festgestellt werden. Diese Problematik ergibt sich durch die Passivität des Soundwalks. Um folglich alle Aspekte des Klanggeschehens in einem Open-World Spiel zu untersuchen, bedarf es mehrerer Methoden.
[28] Dieser Essay skizziert deshalb eine vorläufige methodische Analyse von Sound und Musik gleichermaßen, die die Wahrnehmung des Spielers oder der Spielerin für diese beiden Aspekte sensibilisieren kann. Das hier vorgestellte Konzept hat den Vorteil, dass nur das Spiel benötigt wird. Es ist keine Partitur oder ein Eingreifen in die Ordnerstruktur des Spiels notwendig. Der Soundwalk kann direkt und zu jederzeit in einem Open-World Spiel durchgeführt werden. Für eine weitere Entwicklung der Methodik muss sie an mehreren Beispielen exerziert werden. Auch innerhalb eines Spiels müssen mehrere Areale mit derselben Methode untersucht werden, da so neue Erkenntnisse durch den Vergleich gewonnen werden können. In Spielen, die beispielsweise industrielle Städte und natürliche Wälder als Teil ihre Welt beheimaten, können so Kontraste herausgearbeitet werden. Gerade bei der The Legend of Zelda Reihe kann durch Soundwalks die Klanggestaltung frei begehbarer Areale unterschiedlicher Titel der Reihe verglichen werden. Dies kann Aufschluss über die technische Entwicklung geben. Interessant ist auch die Durchführung mehrerer Soundwalks in demselben Areal. Hierdurch kann herausgefunden werden, inwieweit sich die gehörten Klangflächen reproduzieren lassen. Eine weitere Frage, die durch das Soundwalking beantwortet werden kann, ist, inwieweit die Klangflächen die Musik beeinflussen und umgekehrt. Dies kann auch die Frage nach der Diegetik bedingen. Gibt es Sounds, die nur der Spieler oder die Spielerin hören kann? Gibt es Verschränkungen zwischen diegetischen und non-diegetischen Klängen und Musik? Bei dem hier behandelten Beispiel könnte diese Frage auf den Klang bei der Einblendung des Texts „Alter Umschlagplatz“ nach dem Soundwalk untersucht werden. Die genannten Fragen und Aspekte dienen in jedem Fall der Sensibilisierung der Wahrnehmung der Spieler und Spielerinnen in Bezug auf Sound und Musik.
Steven Reale, „Analytical Traditions and Game Music: Super Mario Galaxy as a Case Study“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 219. ↑
S. Tim Summers, Understanding Video Game Music, Cambridge 2016, S. 34–39. ↑
Der Spieler oder die Spielerin, entscheidet sich aktiv für einen Soundwalk. Nach dieser Entscheidung verläuft die Interaktion mit dem Spiel passiv. ↑
Walter K. Kreyszig, Art.: „Schafer, R(aymond) Murray“, in: MGG Online, abgerufen über https:/
S. R. Murray Schafer, The New Soundscape. A Handbook for the Modern Music Teacher, Ontario (u. a.) 1969, S. 3. ↑
S. ebd., S. 1 und S. 2. ↑
S. R. Murray Schafer (u. a.), Five Village Soundscapes, Vancouver 1977, S. 4–6. ↑
S. ebd., S. 2. ↑
Schafer untersucht die Frequenz der Glocken sehr genau und kommt zu dem Ergebnis, dass das Erklingen der Glocken stets einen Sinn verfolgt, s. ebd., S. 12–15. Er geht dabei auch auf die Reichweite der Klänge und die Wahrnehmbarkeit der Bürger und Bürgerinnen ein, s. ebd., S. 15. ↑
S. ebd., S. 5. ↑
S. ebd., S. 3–10. ↑
Hildegard Westerkamp, „Soundwalking“, Hildegard Westerkamp. Inside the Soundscape, veröffentlicht am 01.01.2001 [ursprünglich erschienen in: Sound Heritage, 4/3 (1974), S. 18–27], abgerufen am 10.11.2022 über https:/
Andra Mccartney, „Soundwalking. Creating moving environmental sound narratives“, Soundwalking Interactions. International research project on soundwalking and conversations with listeners, veröffentlicht am 27.09.2010 [auch erschienen in: The Oxford Handbook of Mobile Music Studies, Band 2, hrsg. von Sumanth Gopinath und Jason Staynek, Oxford 2014, S. 212–237] abgerufen am 10.11.2022 über https:/
MD Adams, NS Bruce, WJ Davies, R Cain, P Jennings, A Carlyle, P Cusack, K Hume, C Plack, „Soundwalking as a methodology for understanding soundscapes“, in: Institute of Acoustics Spring Conference, 2/30 (2008), unpag. ↑
Westerkamp, „Soundwalking“. ↑
Adams, Bruce, Davies, Cain, Jennings, Carlyle, Cusack, Hume, Plack, „Soundwalking as a methodology for understanding soundscapes“, unpag. ↑
S. ebd. ↑
Westerkamp, „Soundwalking“. ↑
Schafer (u. a.), Five Village Soundscapes, S. 14. ↑
Elizabeth Medina-Gray, Modular Structure and Function in Early 21st-Century Video Game Music, Yale 2014, S. 2–5 und S. 43–45. ↑
S. dazu Alyssa Aska, Introduction to the Study of Video Game Music, self-publishing 2017, S. 70–77. ↑
S. für eine genauere Beschreibung Herbert Henck, „Music of Changes“, in: John Cage. Anarchic Harmony, hrsg. von Stefan Schädler und Walter Zimmermann, Mainz 1992, S. 213. ↑
Elizabeth Medina-Gray, „Modularity in Video Game Music“, in: Ludomusicology. Approaches to Video Game Music, hrsg. von Michiel Kamp, Tim Summers und Mark Sweeney, Sheffield 2016, S. 55. ↑
Sie bezieht sich dabei auf die Dissertation von Pamela Quist, Indeterminate Form in the Work of Earle Brown (1984). S. Medina-Gray, „Modularity in Video Game Music“, S. 65. ↑
S. ebd., S. 66. ↑
Navigabel narritives oder walking simulators sind Videospiele, in denen sich der Spieler oder die Spielerin innerhalb eines vorgegebenen, linearen Pfades bewegt. Ihre Definition lautet: „In short, the main purpose of navigable narratives is to partake in a story as the protagonist is moving through a visually and sonically saturated 3D environment. They are built with the same resources as video games, but the users engage in more paidic play (freeform, ‘sandbox’ play) rather than ludic play (governed by rules and resulting in win/lose outcomes).“ Elisabeth Hambleton, „Gray Areas. Analyzing Navigable Narratives in the Not-So-Uncanny Valley Between Soundwalks, Video Games, and Literary Computer Games“, in: Journal of Sound and Music in Games, 1/1 (2020), S. 21. ↑
Hambleton, „Gray Areas“, S. 36. ↑
S. ebd., S 35. ↑
In einem geführten Soundwalk ist nicht nur die Route vorgegeben, sondern auch die Klänge, die man hört. Es wird dafür ein portables Musikabspielgerät verwendet, über das man eine vorgefertigte Tondatei abspielt. Durch diese Datei sind beim Gehen andere Klänge zu hören, als sie innerhalb der Route vorkommen. Bei einem freien Soundwalk ist nur die Route festgelegt. Die Umgebungsklänge sollen dabei ohne Einfluss von vorgefertigten Aufnahmen untersucht werden. ↑
Iain Hart, „Semiotics in Game Music“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 223. ↑
Elizabeth Medina-Gray, „Interacting with Soundscapes. Music, Sound Effects and Dialogue in Video Games“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 178–179. ↑
Hambleton, „Gray Areas“, S. 40. ↑
Sean Murray, „Gaming Detail: Shenmue’s Weather Matches Real 1986 Forecasts“, TheGamer, gepostet am 23.06.2020, abgerufen am 28.11.2022 über https:/
S. Tim Reichert, Verschiedene Höreindrücke in Varianten des gleichen Spiels. Angabe von Videospielmusik als Quelle, Bachelorarbeit Eberhard Karls Universität Tübingen, 2021. ↑
Gemeint sind geräuschunterdrückende Kopfhörer, wie sie beispielsweise von Sony oder Bose angeboten werden. ↑
Dies wird bei einem Soundwalk außerhalb einer virtuellen Welt nicht angestrebt, kann aber für die Quellenarbeit bei einem Videospiel hilfreich sein. ↑
S. „Soundwalk. Gesamt“, (00’01’’) in: Eiji Aonuma (Produzent), Hidemaro Fujibayashi (Regisseur), Manaka Kataoka und Yasuaki Iwata (Musik), The Legend of Zelda. Breath of the Wild, Version 1.6.0. (26.04.2019), Nintendo Entertainment Planning & Development, Monolith Soft (Entwickler), Nintendo (Publisher), Deutsch, Nintendo Switch (15.0.1.), 2017, Hyrule Field. ↑
S. „Soundwalk. Rüstung“ in: ebd. Diese Aufnahme entstand kurze Zeit nach „Soundwalk. Gesamt“, was an der Uhrzeit im Spiel zu erkennen ist. ↑
S. Abbildung 2 und zur genaueren Einordnung innerhalb der Karte, s. Abbildung 3. ↑
Westerkamp, „Soundwalking“. ↑
„Soundwalk. Gesamt“, (00’01’’–00’20’’). ↑
Ebd., (00’58–01’05’’). Dies gilt auch für kleinere Grasflächen auf dem befestigten Boden der Garnisonsruine S. ebd., (00’09’’–00’12’’). ↑
Westerkamp, „Soundwalking“. ↑
„Soundwalk. Gesamt“, (00’17’’–00’24’’). ↑
Ebd., (02’34’’–02’48’’). ↑
Ebd., (00’27’’) und (02’44’’). ↑
Ebd. (00’36’’–00’48’’). ↑
Ebd., (00’49’’–00’52’’). ↑
Ebd., (00’56’’- 00’58’’). ↑
Ebd., (01’06’’–01’12’’). ↑
Ebd., (01’05’’–01’37’’). An dieser Stelle ist es die Aufgabe des Spielers oder der Spielerin, den menschlichen NPC zu retten. Dies würde aber in diesem Fall der Passivität des Soundwalks widersprechen. ↑
Ebd., (01’46’’). ↑
Dies ist ebenso bereits zu Beginn des Soundwalks, kurz bevor der Wald auf der rechten Seite passiert wird, hörbar gewesen. ↑
„Soundwalk. Gesamt“, ab (02’54’’). ↑
Ebd., (03’04’’). ↑
Ebd., (03’09’’–03’45’’). ↑
Tim Summers, The Legend of Zelda: Ocarina of Time. A Game Music Companion, Bristol 2021, S. 86. ↑
S. ebd., S. 85–87. ↑
S. ebd., S. 86. ↑
Mit Zeit ist hier nicht nur die Uhrzeit gemeint, sondern auch die verbrachte Zeit im Spiel, aus der sich die Verortung in der Handlung des Spiels ergibt. ↑
Literatur:
Adams, MD; Bruce, NS; Davies, WJ; Cain, R; Jennings, P; Carlyle, A; Cusack, P; Hume, K; Plack, C, „Soundwalking as a methodology for understanding soundscapes“, in: Institute of Acoustics Spring Conference, 2/30 (2008), unpag.
Aska, Alyssa, Introduction to the Study of Video Game Music, self-publishing 2017.
Hambleton, Elisabeth, „Gray Areas. Analyzing Navigable Narratives in the Not-So-Uncanny Valley Between Soundwalks, Video Games, and Literary Computer Games“, in: Journal of Sound and Music in Games, 1/1 (2020), S. 20–43.
Hart, Iain, „Semiotics in Game Music“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 220–237.
Henck, Herbert, „Music of Changes“, in: John Cage. Anarchic Harmony, hrsg. von Stefan Schädler und Walter Zimmermann, Mainz 1992, S. 213–215.
Kreyszig, Walter K., Art.: „Schafer, R(aymond) Murray“, in: MGG Online, abgerufen über https:/
McCartney, Andra, „Soundwalking. Creating moving environmental sound narratives“, Soundwalking Interactions. International research project on soundwalking and conversations with listeners, veröffentlicht am 27.09.2010 [auch erschienen in: The Oxford Handbook of Mobile Music Studies, Band 2, hrsg. von Sumanth Gopinath und Jason Staynek, Oxford 2014, S. 212–237] abgerufen über https:/
Medina Gray, Elizabeth, „Interacting with Soundscapes. Music, Sound Effects and Dialogue in Video Games“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 176–192.
Dies., Elizabeth, „Modularity in Video Game Music“, in: Ludomusicology. Approaches to Video Game Music, hrsg. von Michiel Kamp, Tim Summers und Mark Sweeney, Sheffield 2016, S. 53–71.
Dies., Modular Structure and Function in Early 21st-Century Video Game Music, Yale 2014.
Murray, Sean, „Gaming Detail: Shenmue’s Weather Matches Real 1986 Forecasts“, TheGamer, gepostet am 23.06.2020, abgerufen über https:/
Reale, Steven, „Analytical Traditions and Game Music: Super Mario Galaxy as a Case Study“, in: The Cambridge Companion to Video Game Music, hrsg. von Melanie Fritsch und Tim Summers, Cambridge 2021, S. 193–219.
Reichert, Tim, Verschiedene Höreindrücke in Varianten des gleichen Spiels. Angabe von Videospielmusik als Quelle, Bachelorarbeit Eberhard Karls Universität Tübingen, 2021.
Schafer, R. Murray (u. a.), Five Village Soundscapes, Vancouver 1977.
Ders., The New Soundscape. A Handbook for the Modern Music Teacher, Ontario (u. a.) 1969.
Summers, Tim, The Legend of Zelda: Ocarina of Time. A Game Music Companion, Bristol 2021.
Ders., Understanding Video Game Music, Cambridge 2016.
Westerkamp, Hildegard, „Soundwalking“, Hildegard Westerkamp. Inside the Soundscape, veröffentlicht am 01.01.2001 [ursprünglich erschienen in: Sound Heritage, 4/3 (1974), S. 18–27], abgerufen über https:/
Videospiel:
Aonuma, Eiji (Produzent), Fujibayashi, Hidemaro (Regisseur), Kataoka, Manaka; Iwata, Yasuaki (Musik), The Legend of Zelda. Breath of the Wild, Version 1.6.0. (26.04.2019), Nintendo Entertainment Planning & Development, Monolith Soft (Entwickler), Nintendo (Publisher), Deutsch, Nintendo Switch (15.0.1.), 2017.
Fabian Müller (B. A.) studierte an der Eberhard Karls Universität Tübingen Geschichtswissenschaft, Philosophie, Internationale Literaturen und Musikwissenschaft. Seine Bachelorarbeit untersuchte die Bezüge zu Richard Wagner im Videospiel Gabriel Knight: The Beast Within, 1995. In seinem darauffolgenden Masterstudiengang verbrachte er ein Semester an der University of Maynooth in Irland.
Aktuell setzt er seine Forschungsschwerpunkte auf die Analyse von Videospielmusik, die Musik im Postmodernismus und neue Notationsformen des späten 20. Jahrhunderts. Zum letztgenannten Thema plant er eine Masterarbeit, die zu einer Promotion erweitert wird.